14.2.2022

Aggressive Eskalation lenken und bewältigen

Viermal im Jahr organisiert der Pflegedienst den Kurs «Deeskalationsmanagement». Dieser Kurs wurde Ende 2019 in dieser Form beim Spital Männedorf etabliert und hilft insbesondere Pflegefachpersonen, in aggressionsgeladenen Situationen umsichtig zu reagieren, ohne sich selber zu gefährden. Thomas Albiez verrät im Interview, was der Kurs den Teilnehmenden bringt und weshalb diese Kompetenz in einem Spital wichtig ist.


Kurs Deeskalationsmanagement

Thomas Albiez, weshalb spricht man von Deeskalationsmanagement? Was gibt es zu «managen», wenn jemand aggressiv auftritt?

*lacht* Es gibt ganz viel zu managen. Aber zuerst einmal eine Einordnung ganz generell. Früher war der Kurs mit «Aggressionsmanagement» betitelt und er fokussierte auch darauf. Wir wollen in schwierigen Situationen aber nicht einfach nur die Aggression in den Griff bekommen, sondern streben an, dass im Idealfall auch der Aggressor oder die Aggressorin mit einem guten Gefühl wieder aus dem Konflikt herausfindet.

Das erfordert von den in den Konflikt involvierten Fachleuten, dass sie systematisch vorgehen können müssen, um die nächsten Schritte des Kontaktes mit der agitierten, aggressiven Person zu planen. Häufig sind Angst und das Gefühl von Machtlosigkeit ein Auslöser für Aggressionen. Ein wesentlicher Aspekt ist die Kommunikation, die der betroffenen Person vermittelt, dass sie gehört wird und ihre Anliegen auch aufgenommen werden. Bei mehreren Involvierten gilt es sich abzusprechen, wer den Lead und die Rolle als «Kontaktperson» im Geschehen übernimmt. Das erfordert innere Sicherheit und ein Rückgriff auf das Wissen, welches im Kurs vermittelt wurde. Dazu gehört auch, dass es Grenzen gibt und man sich unter Umständen besser Hilfe holt, wenn über Kommunikation eine Deeskalation nicht möglich ist - sei es über einen Rea-Alarm oder dann mit dem Aufbieten der Polizei. Gerade in solchen Situationen ist es wichtig, die richtigen Befreiungs- oder Abwehrtechniken zu kennen. Diese gilt es regelmässig zu trainieren, damit diese quasi in Fleisch und Blut übergehen.


Welches sind die häufigsten Konfliktfelder, denen Mitarbeitende der Pflege ausgesetzt sind?

Wie schon kurz angesprochen, sind es oft Gefühle von Ohnmacht, Machtlosigkeit oder Angst, die zu Eskalationen führen. Dabei spielen auch Schmerzen, Informationsdefizite, eingeschränkte Kommunikation aufgrund Seh-, Hör- oder Sprachbeschwerden eine Rolle. Die Pandemie mit all den Einschränkungen und Unsicherheiten hat die Situationen noch verstärkt. Für die Pflegefachpersonen ist es ein enormer Stress, einerseits allen Patienten und ihren verschiedenen Anforderungen gerecht zu werden. Es gilt immer umfänglich zu informieren, alle Bedürfnisse zu erkennen, die aber nicht immer erfüllt werden können. Das klappt schlicht und einfach nicht immer und kann im Alltag auf Unverständnis bei Patientinnen und Patienten führen. Auch andere Professionen in unserem Spital kennen diesen Druck und die Anforderungen.

Sehr häufig leiden Patienten an einem Delir, welches sich durch agitiertes oder aggressives Verhalten zeigt. Da sind dann nochmals andere Massnahmen erforderlich, die einerseits den betroffenen Patienten Ruhe und Sicherheit vermitteln und andererseits die organischen Ursachen behandeln.

Was lernt man denn konkret im Kurs?

Als erstes die theoretischen Inhalte, welche die psychologisch phänomenologischen Zusammenhänge aufzeigen. Das schafft Verständnis für die Betroffenen und zeigt Ansatzpunkte für die Interventionen auf. Die Teilnehmenden lernen, wie sie verbal auf die Person zugehen und wie sie sie abholen können. Das macht sie sicherer, Menschen in der Aggression ruhig aber bestimmt anzusprechen.

Um einen konkreten Bezug zum Arbeitsalltag schaffen zu können, werden zudem Praxisbeispiele von den Teilnehmenden besprochen und schliesslich auch praktische Übungen durchgeführt. Diesen Praxistransfer schätzen Kursteilnehmende sehr.

Ein wichtiger Aspekt ist beispielsweise auch das Einhalten von Distanz und das Beachten der eigenen Position im Raum, damit man sich nicht selbst den Fluchtweg verbaut oder Angriffsmöglichkeiten anbietet. Gerade für Pflegende, deren Stärke es ist, über Nähe den Patientinnen und Patienten Sicherheit zu bieten, ist das sehr herausfordernd. Aber es ist wichtig, denn Nähe kann in schwierigen Situationen auch gefährlich werden.


Wer vermittelt die Inhalte des Kurses?

Paul Camenisch ist Trainer in Aggressionsmanagement und als externer Dozent in diesem Thema in unterschiedlichen Institutionen tätig. Da er daneben auch ein Pensum in der Psychiatrie als Ausbildner hat, sind die Inhalte selbst praxiserprobt.


Herzlichen Dank, Thomas Albiez!